Kleines Kind mit großer Reisetasche auf der Straße altanaka - Fotolia.com

Selbstständig werden

Kinder müssen selbstständig werden (dürfen)

„Das Schönste, was eine Fee einem Kind in die Wiege legen kann, sind Schwierigkeiten, die es überwinden muss“, sagte der Begründer der Individualpsychologie, Alfred Adler. Damit tun sich aber viele Eltern schwer. Heute begegnet man häufig

  • sogenannten „Helikopter-Eltern“ (© Jesper Juul), die ihre Kinder fast rund um die Uhr überwachen;
  • den „Curling-Eltern“ (© Helle Jensen), die ähnlich wie bei diesem Eissport, ihren Kindern alle Hindernisse aus dem Weg räumen;
  • oder Eltern mit dem „Oberkellner-Syndrom“, die ihre Kinder ständig bedienen.

Damit tun sie ihren Kindern nichts Gutes. Wenn Kinder das eigene Handeln nicht erproben und das eigene Wissen nicht anzapfen können, werden sie nicht selbstständig. Kinder müssen auch Negatives erleben und lernen, dieses auszuhalten, um mit diesen Gefühlen umgehen zu können. Kinder, die nicht lernen, Momente der Frustration auszuhalten, entwickeln sich nicht weiter.
Auch aus der Gehirnforschung weiß man: Wer es zu bequem hat, dessen Hirn wird auch bequem.

Um selbstständig zu werden brauchen Kinder unter anderem

  • altersentsprechende Herausforderungen, die ihnen beweisen „Ich kann das, ich schaffe das – auch wenn es nicht einfach ist“;
  • die Erfahrung, dass man manchmal Geduld braucht, um ein Ziel zu erreichen;
  • altersgerechte Freiräume, in denen sie lernen, wie man mit Eigenverantwortung umgeht;
  • Aufgaben innerhalb der Familie, für die sie selbst verantwortlich sind;
  • eine eigene Privatsphäre und
  • das Vertrauen, dass die Eltern im Hintergrund da sind, wenn sie gebraucht werden.

Zeit mit den Kindern verbringen

Diese Zeit sinnvoll zu nutzen, heißt aber nicht, dass Kinder ständig von ihren Eltern bespaßt oder bespielt werden sollen. Ständige Beschäftigung wirkt wie eine Droge und die Kinder verlernen, was es heißt, sich selbst zu beschäftigen oder in der Natur zu sein.
Freie Zeit qualitätvoll zu nutzen, muss nicht heißen, dass man mit den Kindern vom Musikunterricht zum Fußball- oder Balletttraining und anschließend in die Eislaufhalle hetzt. Ganz im Gegenteil: Diese Kinder beziehen ihren Selbstwert dann hauptsächlich aus den Leistungen, die sie bei diesen Aktivitäten erbringen. Sie fühlen sich nur gut, wenn sie sagen können „Da bin ich gut“.

Freizeit sinnvoll nutzen heißt auch

  • Freie Spielzeiten ohne Termine und Programm
  • Sport aus Freude an der Bewegung – „just for fun“
  • Einfach in der Natur sein – spielen ohne Spielzeug, mit den Möglichkeiten, die die Natur bietet
  • Langeweile erleben dürfen – so sind die Kinder gefordert, ihre eigene Phantasie und Kreativität zu nutzen
  • Kinder das Familienprogramm bestimmen lassen
  • Gemeinsam faulenzen

Wie viel Eigenständigkeit?

Darf ich mein Kind für einen kurzen Einkauf alleine zu Hause lassen? Darf mein Kind einen bestimmten Weg alleine gehen? Wie viel Selbstständigkeit kann ich meinem Kind zumuten, ohne es zu überfordern? Zu diesen wichtigen Fragen, die sich Eltern stellen, gibt es keine allgemein gültigen Regeln. Eltern kennen ihr Kind am besten. Sie sind die Experten für ihr Kind und müssen verantwortungsvoll einschätzen, was sich ihr Kind selbst schon zutraut.

Was für ein Kind zumutbar ist, hängt einerseits von seinem Alter und seinem Entwicklungsstand ab, andererseits von äußeren Bedingungen, wie die Länge eines zu bewältigenden Weges, mögliche Gefahrenquellen (z.B. Straßenverkehr) oder die Zeitspanne, die das Kind alleine zu Hause bleibt.

Je selbstständiger Kinder werden, desto wichtiger sind klare Vereinbarungen mit dem Kind sowie das gegenseitige Vertrauen. Freiräume, die das Kind gut schaffen kann und die es nicht überfordern, fördern die Selbstsicherheit und das Selbstbewusstsein.